Zum Vorlesen: „Die Farm in den grünen Bergen“ von Alice Herdan-Zuckmayer
Passende Lektüre für hochaltrige Menschen zu finden, ist oft schwierig: Es soll nicht zu aufregend, umgangssprachlich oder „wild“ sein, aber auch nicht langweilig dahin plätschern. Eine Identifikation mit dem Thema ist wünschenswert, aber nicht jede Epoche der eigenen Geschichte möchte gern erinnert werden. So freute ich mich sehr über die Entdeckung von „Die Farm in den grünen Bergen“ von Alice Herdan-Zuckmayer. 1939 wurden Alice und Carl Zuckmayer die deutsche und österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt, nach mehreren Jahren der Flucht durch Österreich, die Schweiz und Frankreich emigrieren sie in die USA, um sicher vor den Nazis zu sein.
Die autobiografische Erzählung eignet sich wunderbar für einen „Bücher-Club“, ein Lektüretreffen oder zum Vorlesen von Auszügen. Die Themen sind den SeniorInnen bekannt, allerdings kommt der zweite Weltkrieg nur am Rand vor:
Für die damalige Zeit ist Alice eine sehr gebildete Frau, sie hatte Medizin studiert und widmet sich auch in Vermont diversen Forschungen – einfach, weil sie Lust darauf hat. Nach den ersten drei Jahren, die sie zwischen Vermont und New York pendeln, finden sie eine Farm, die sie für fünf Jahre mieten und führen. Von dieser Zeit handelt der Bericht, der sich sehr leicht, unterhaltsam und warmherzig liest. Dabei ist die Zeit in Vermont ganz und gar nicht einfach – unter anderem deshalb, weil es zwei Jahreszeiten gibt: Den endlosen Winter und die Schlammzeit, in der sich sämtliche Wege und Straßen durch das Schmelzwasser auflösen. Mit Glück gibt es ein paar Tage Sommer, und dann beginnt schon der kühle, aber farbenprächtige Indian Summer.
Zusätzlich ist Alice an einen großen Haushalt mit Dienstmädchen gewöhnt, nun muss sie täglich die Ziegen einfangen, gegen Wanderratten kämpfen, Geflügel schlachten und so weiter – trotzdem verliert sie ihren Optimismus nie!
Alice kämpft mit der neuen Kultur und den Verhaltensweisen der stoischen Vermonter Nachbarn, dem Einarbeiten in die Regeln der Landwirtschaft, dem Klima und allen Gefühlen, die eine Emigration mit sich bringen. Dennoch klingt das Buch sehr leichtfüßig und humorvoll, ich habe es mit großem Genuss gelesen. Vielleicht, weil ihr pragmatischer Ton mit einem Hauch Abenteuerlust zur Identifikation einlädt… Nie beschwert sie sich, immer packt sie an und setzt sich darüber hinaus dafür ein, einen Tag pro Monat an die Dartmouth University zum Lesen fahren zu können: Egal, wie viele Stunden es dauert und wie stark der Schnee fällt. Unterwegs verkauft sie noch ein paar Hühner, Enten und Eier, bis sie einen Tag lang nur an sich und ihre eigene Bildung denken kann. Sehr sympathisch!
Die Autorin selbst darüber, wie das Buch entstand: